
Steinmetzzeichen - steinalt, viele Fragezeichen und in Köln lebendig

Die Erforschung der Steinmetzzeichen, die man an sehr vielen mittelalterlichen Bauten, so auch am Kölner Dom, auf zahlreichen Steinquadern und Werkstücken findet, ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Theorien zu Verwendungszweck und Konstruktionsweise sind vielfältig und widersprüchlich. Erschwert wird die Forschung vor allem dadurch, das historische Quellen zu Steinmetzzeichen rar sind und die wenigen Texte zudem keine nennenswerten Informationen zur Verwendungspraxis enthalten.
Festhalten kann man, dass Steinmetzzeichen, als eine Art persönliches Signet des ausführenden Steinmetzen dienten. Ähnliche Zeichen wurden auch von anderen Berufsgruppen verwendet. Als persönliche Signets sind sie von anderen auf den Steinen angebrachten Zeichen zu unterscheiden, wie etwa von Versatz- oder Liefermarken, wie sie bereits in der Antike Verwendung fanden, um einerseits die künftige Position des Werksteins im Mauerverband zu bestimmen oder andererseits Steinchargen im Steinbruch zu kennzeichnen.

In Einzelfällen dienten die Steinmetzzeichen höchstwahrscheinlich auch der Abrechnung in Stücklohn. Da sich Zeichen aber auch zahlreich an Bauten finden, an denen nach der Quellenlage ausschließlich nach Tagelohn abgerechnet wurde, scheint dies nicht ihr hauptsächlicher Verwendungszweck gewesen zu sein. Wahrscheinlich haben sie unter anderem als eine Art Qualitätszeichen gedient, um den Urheber des Werkstücks festzuhalten. Sicher sind sie auch Ausdruck des Selbstbewusstseins mittelalterlicher Steinmetzen. Auffällig ist, dass gewöhnlich nur ein Teil der verbauten Steine gekennzeichnet wurden. Der Prozentsatz schwankt je nach Bau und Zeit. In Mitteleuropa sind Steinmetzzeichen im engeren Sinne erstmals im 11. Jahrhundert, unter anderem am Speyrer Dom, bezeugt. Allgemein ist im Laufe der Zeit zum Spätmittelalter hin eine Tendenz festzustellen, dass die Zeichen zunehmend kleiner und geometrischer werden und die Häufigkeit ihres sichtbaren Auftretens zunimmt. Gerade in den früheren Zeiten wurden die Zeichen besonders oft auf den Lagerflächen angebracht, so dass sie nach dem Einbau nicht mehr sichtbar waren. Auch heute kommt es vor, das Steinmetzen noch ihr Steinmetzzeichen führen.

Die im 19. Jahrhundert entwickelte These, dass die Steinmetzzeichen von den Bauhütten nach festgelegten Schlüsseln vergeben wurden, konnte durch die neuere Forschung nicht erhärtet werden. Dass Steinmetzzeichen nach verbreiteten Konstruktionsgesetzen entwickelt werden konnten, ist dennoch anzunehmen. Die heutige Forschung geht davon aus, das identische Zeichen an verschiedenen Bauten nicht zwangsläufig auf dieselben Steinmetzen schließen lassen müssen. Bauhistorisch kann man daher aus den Zeichen nur sichere Rückschlüsse auf den untersuchten Bau selbst ziehen.
Insgesamt konnten am Dom bisher knapp 1.900 Steinmetzzeichen nachgewiesen werden. Während die Steinmetzzeichen am ältesten Bauteil des Domes, im Chorbereich, sehr großes Format haben und nur spärlich nachzuweisen sind, da sie sich zumeist auf den Lagerflächen der Steinquader befinden, nimmt die Häufigkeit der oberflächlich sichtbaren Zeichen zum Spätmittelalter hin zu, die Größe hingegen deutlich ab.

Für die Nordseitenschiffe, deren Fundamentierung nach 1449 begann und die mit dem Einbau der Nordseitenschifffenster um 1507/08 zumindest bis auf Kapitellhöhe fertiggestellt gewesen sein dürften, sind 1750 Zeichen 184 verschiedener Typen festzustellen. Anhand der Verteilung der Zeichen kann man etliche Rückschlüsse auf den Baubetrieb in diesen Jahrzehnten ziehen: Etwa die Hälfte der mit Zeichen nachweisbaren Steinmetzen haben offenbar nur kurz am Dombau gearbeitet. Ihr Zeichen findet sich nur an ein oder zwei Pfeilern. Andere Steinmetze blieben deutlich länger. Ein Zeichen findet sich sogar auf allen Baugliedern der nördlichen Seitenschiffe. Dies spricht für einen relativ schnellen Bauablauf, wenn man ein Arbeitsleben von allerhöchstens 40-50 Jahren annimmt (die längste nachweisbare Arbeitszeit eines Steinmetzen am Dom im 19. Jahrhundert lag bei knapp über 50 Jahren). Ferner lässt sich feststellen, dass an einem Pfeiler jeweils etwa 10-20 Steinmetzen gearbeitet haben. Auch lassen sich unter den Steinmetzen Spezialisten herausfiltern, deren Zeichen sich besonders häufig auf Kapitellen, Baldachinen und Konsolen findet. Sie haben daneben aber auch stets einfachere Werkstücke gehauen. Der Großteil der anfallenden Arbeiten hat sich auf das Erstellen von Quadern und profilierten Werkstücken erstreckt. Die Erweiterung durch eine Spezialisierung zum Laubhauer und Bildhauer war wahrscheinlich ein fließender Übergang.
Konstruktion eines Steinmetzzeichens nach einem Schlüssel der Triangulatur
Nach den Thesen von Franz Riha aus dem 19. Jahrhundert gab es im Mittelalter an den verschiedenen Bauhütten festgelegte Schlüssel, nach denen Steinmetzzeichen konstruiert und vergeben wurden. Für Köln habe, so eine These, die Triangulatur gegolten. Auch wenn dies für die spätmittelalterlichen Zeichen nicht überprüft ist, haben zahlreiche Steinmetzen im 19. und 20. Jahrhundert nach dieser Theorie ihre Steinmetzzeichen entwickelt. Im Folgenden wird der stellv. Hüttenmeister der Kölner Dombauhütte Markus Heindl, am Beispiel seines Zeichens, die Konstruktion aus einem Schlüssel der Triangulatur erläutern.
Arbeitsschritte
1. Vom Schnittpunkt eines Achsenkreuzes wird in beliebigem Radius ein Kreis geschlagen.
2. Von den Schnittpunkten der Längsachse mit dem Kreis, werden zwei Halbkreise zur Mitte hin mit demselben Radius geschlagen. Die so entstandenen Schnittpunkte auf der Peripherie werden mit den entfernter gelegenen Schnittpunkt der Längsachse verbunden und ergeben zwei gleichseitige, übereinandergelegte, gegenläufige Dreiecke.
3. Von den Schnittpunkten der Querachse werden wieder zwei Halbkreise mit dem Radius des Umkreises geschlagen. Die dadurch entstandenen, gegenüberliegenden Schnittpunkte auf der Peripherie werden mit Linien verbunden.
4. Nun verbindet man alle gegenüberliegenden Schnittpunkte die auf der Peripherie liegen mit Linien und halbiert damit automatisch die Winkel der gleichseitigen Dreiecke. Somit werden weitere Schnittpunkte festgelegt mit deren Hilfe sich weitere ineinander gestellte Dreiecke konstruieren lassen.
5. Im Rahmen des so entstandenen Liniennetzes kann man das Steinmetzzeichen festlegen.
Markus Heindl, stellv. Hüttenmeister Dombauhütte Köln
Matthias Deml, Pressestelle, Dombauhütte Köln