
Eine neue Kreuzblume für den Nordturm

Steinmetz Markus Schroer, seit über 40 Jahren Mitarbeiter der Dombauhütte, hatte im Winter 2018/19 ein besonderes Werkstück in seiner Werkstatt aufgebänkt. Es handelt sich um eine große, 1,25 m hohe doppelstöckige Kreuzblume mit bekrönender Zwiebel und Teller. Anfang März fertiggestellt, wird sie im Sommer von den Versetzsteinmetzen auf der Spitze des nordwestlichen Fialaufbaues des Nordturmes in etwa 105 Metern Höhe versetzt. Weithin sichtbar soll sie das Aussehen des Turmes nach Jahrzehnten wieder vervollständigen.
Die originale Kreuzblume war wohl infolge einer Rostsprengung am 24. November 1984 während des Orkans »Yra« zusammen mit der obersten Spitze des Fialaufbaus abgestürzt. Die stürzenden Steine (zusammen etwa drei Meter hoch) richteten auch schwere Zerstörungen an den tieferliegenden Bereichen des Aufbaus an. Es handelte sich um einen der schwersten Schäden am Dom seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Rahmen der Turmsanierung hat die Dombauhütte den Bereich in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert. Über 50 Werkstücke erneuerten die Steinmetzen der Dombauhütte entweder gänzlich oder ergänzten sie mit Hilfe von Vierungen. So nennt man steinerne Teilergänzungen, die in ein beschädigtes Werkstück eingepasst werden. Alle neuen Elemente sind aus Obernkirchener Sandstein aus dem Weserbergland gefertigt, ein Stein der bereits im 19. Jahrhundert für den Bau der Türme Verwendung fand und sich bestens bewährt hat. Die neuen Werkstücke werden über ein Patenprogramm des Zentral-Dombau-Vereins finanziert. Einige suchen noch eine Patin oder einen Paten.

Etliche der Vierungen, es handelt sich um Krabben an den Riesen (Hauben) mehrerer Fialen, wurden von Markus Schroer vor Ort ausgeführt. Das ist besonders schwierig, da man die fest montierten Stücke, anders als in der Werkstatt, nicht drehen kann. Hier war die Fähigkeit des Steinmetzen, sowohl rechts- als auch linkshändisch arbeiten zu können, von enormen Vorteil. Inzwischen stehen die Restaurierungsarbeiten, an denen zahlreiche Mitarbeiter der verschiedensten Gewerke beteiligt waren, kurz vor dem Abschluss. Neben der Erneuerung der zerstörten Bereiche wurden sämtliche, teils stark verrostete Eisenanker des 19. Jahrhunderts in Edelstahl erneuert, zerstörte Fugen geschlossen und zwei der vier großen Engel restauriert, die beiden anderen neu geschlagen. Nach Abschluss der Arbeiten steht in den kommenden Jahren die Sanierung der nordöstlichen Ecke des Nordturmes an.
Jeweils vier 30 m hoch freistehende Fialaufbauten umgeben die beiden Domtürme und leiten vom quadratischen Grundriss der unteren Turmgeschosse zum achteckigen der beiden oberen Geschosse und der Turmhelme über. Noch im Mauerverband stehend, bilden sie sich bereits im dritten Geschoss der Türme zwischen ca. 45 und 75 Metern Höhe aus, um dann das vierte Geschoss der Türme in einer Höhe zwischen 75 und 105 Metern frei zu umstehen. Auf mehreren Ebenen werden sie von Begleitfialen, Wimpergkränzen und Figurenbaldachinen mit Engelfiguren umgeben. Bereits um 1280 auf dem berühmten Plan der Westfassade, dem sog. Planriss F entwickelt, wurden sie in der Mitte der 1870er-Jahre im Rahmen der Turmvollendung unter Dombaumeister Richard Voigtel getreu dem mittelalterlichen Plan ausgeführt. In ihrer Größe können es die Aufbauten mit vielen Kirchtürmen aufnehmen, im Aufwand ihrer Gestaltung dürften aber nur wenige Türme mit ihnen mithalten.
Matthias Deml, Dombauhütte Köln
Fotos, Jennifer Rumbach, Dombauhütte Köln